Zeitdokument

Pink Floyd-Bassist Roger Waters „Ich habe es so satt“

In den letzten 25 Jahren hat sich Bassist Roger Waters auf Endlos-Tourneen mit altem Pink Floyd-Material beschränkt – reine Nostalgie. Nun hat ihn seine neue Lieblings-Hassfigur kreativ beflügelt: US-Präsident Donald Trump. Waters Album „Is This The Life We Really Want“ ist anspruchsvoll, experimentell und mutig.

Quelle: Marcel Anders, Deutschlandfunk Kultur, 04.06.2017

Musik „Is The Life We Really Want“

„Den Begriff „Nincompoop benutze ich schon immer. In England ist das Volksmund. Wie häufig er in Amerika verwendet wird, weiß ich nicht. Aber ich habe ihn zu meinem Lieblingswort in Bezug auf Trump gemacht. Es taucht in den Songs auf und ich verwende es in jedem Gespräch. Denn hier in Amerika darf man den Begriff „Cunt“ nicht verwenden – da regen sich die Leute fürchterlich auf. Letztes Jahr meinte dann mein Schwiegersohn, der lange in Mexiko City gelebt hat: „Ich habe das perfekte Wort für dich. Nämlich pendejo. Was eigentlich Schamhaar bedeutet – aber auch alles von „Idiot“ bis „Cunt".“

Roger Waters neue Hassfigur

Roger Waters hat eine neue Lieblingshassfigur – den 45. Präsidenten der USA, der für Althippie Waters alles verkörpert, was arrogant, dumm, böse und falsch ist. In der Wirtschaft, der Außenpolitik wie im Umbau der USA zu einem Land, das sich hermetisch abriegelt. Wogegen sich der Musiker, der seit 20 Jahren in New York lebt, mit Händen und Füßen wehrt – weil er das Multikulturelle, Weltoffene, Liberale seiner Wahl-Heimat liebt, und deswegen – so sagt er – den geistigen Widerstand anführe. Mit einem bissigen Zynismus, der von Wut und Verachtung zeugt.
„Angeblich ist einer von Trumps Söhnen öfter zu meinen „Wall“-Shows gekommen. Er hat zwei – Eric und wie auch immer. Und einer scheint „The Wall“ zu lieben. Vielleicht wegen all der faschistischen Uniformen und dem ganzen rassistischen Blödsinn darin, der natürlich Satire ist. Vielleicht nimmt er das wörtlich und denkt: „Wow, ist das cool!“

Musik „A Bird In A Gale“

In den letzten 25 Jahren hatte sich Waters auf Endlos-Tourneen mit altem Pink Floyd-Material beschränkt – auf reine Nostalgie. Doch Trump hat den ergrauten Altrocker, und dafür muss er ihm sogar dankbar sein, wieder kreativ gemacht. Die zwölf Stücke auf „Is This The Life We Really Want“ sind moderne Protestsongs, die anklagen, hinterfragen oder – wie „Déjà vu” – einfach mal anmaßend sind. Darin stellt Waters die Frage: Was, wenn ich Gott wäre? Und die Antwort: Es wäre vieles anders und besser.

„Im Mittelalter hätte man mich verbrannt“

„Das ist wirklich blasphemisch. Und im Mittelalter hätte man mich dafür verbrannt – nachdem ich meine Gotteslästerung gestanden hätte. Sie hätten mich gefoltert, bis ich meine Ketzerei zugegeben hätte. Und vielleicht tun sie das heute immer noch – die Amerikaner foltern ja gerne Menschen. Als Trump für das Amt des Präsidenten kandidiert hat, war Teil seines Programms, mit Dingen aufzuwarten, die viel schlimmer als Waterboarding sind. Und er hat alle, die gegen Folter sind, als Weicheier dargestellt. Er hat sich hingestellt und gesagt: „Wovon redet ihr, Folter ist doch toll."“

Musik „Deja Vu“

So anspruchsvoll der Inhalt, so experimentell und mutig die Musik. Da stellt Waters Bombast-Rock der Marke Pink Floyd neben gefühlvolle, akustische Leisetreter und spannende, düstere Klanggemälde, die an Radiohead erinnern. Kein Zufall, denn Waters greift auf die Dienste von Nigel Godrich zurück. Der ist Stammproduzent von Radiohead, eine Koryphäe seines Fachs und jemand, der Waters ins Hier und Jetzt katapultiert. Denn, wenn er dieses Werk im Alleingang produziert hätte, wäre es ein Doppel-Album mit einem viel traditionelleren Sound geworden – und, so der Künstler, längst nicht so aufregend.

„Ich bin glücklich“

„Ich denke, er hat einen tollen Job geleistet. Und ich hätte das Album, so wie es ist, nie alleine hingekriegt. Oder anders gesagt: Dann wäre es ganz anders ausgefallen. Insofern bin ich froh, dass ich diesmal die Kontrolle abgegeben habe. Das habe ich nie zuvor getan, und tue es vielleicht auch nie wieder. Aber ich bin glücklich, dass ich mich zumindest hier darauf eingelassen habe.“

Musik „Picture That”

Was wie eine kleine, banale Anmerkung wirkt, ist tatsächlich eine Aussage von zentraler Bedeutung. Denn Zeit seines musikalischen Lebens gilt Waters als Kontrollfreak, Perfektionist und Studio-Despot. Dass er sich nun, mit 73, auf frische, externe Ideen einlässt, ist das Resultat von 20 Jahren Therapie – von dem Versuch, das eigene Ego und den permanenten Führungsanspruch zu reduzieren. Dinge, an denen Pink Floyd Mitte der 80er gescheitert waren, weil Waters die Band mehr und mehr als sein Solo-Projekt verstand. Und den Rest der Band, durch seinen Ausstieg, zu einem langen, teuren Rechtstreit zwang – der, so Waters, vor allem ihm geschadet habe.

„Da herrschte eine Menge Feindschaft. Und wahrscheinlich wird man mir nie vergeben, wie viel tolle Arbeit ich da geleistet habe. All diese tollen Songs, die ich geschrieben habe, wird man nie zu schätzen wissen. Gerade was die anderen Typen betrifft, die in der Band waren. Es hat eine ganze Weile gedauert, darüber hinweg zu kommen und mir Gedanken darüber zu machen, was für Probleme sie mit mir hatten. Eben dieser ganze Mist von wegen: „Er hat uns keine eigenen Songs schreiben lassen.“ Fickt euch! Niemand hätte euch am Schreiben hindern können. Das ist doch lächerlich. Aber egal, ich will das hier nicht vertiefen, denn wie ihr hört, bin ich da sehr leidenschaftlich. Gleichzeitig habe ich aber auch einfach genug davon.“