Dr. Sebastian Engelbrecht berichtet für den Deutschlandfunk Kultur vom ersten Roger-Waters-Konzert in Berlin in diesem Jahr.
Quelle: Deutschlandfunk Kultur, Fazit, Vladimir Balzer, 17.05.2023
Deutschlandfunk Kultur. Fazit, 17.05.2023
Dauer des Beitrags: 6:25
[00:00:05] Vladimir Balzer:
Tja, man kann sich schon fragen Was ist eigentlich aus Roger Waters geworden? Wir reden über ihn vor allem als fragwürdige politische Person, mehr denn als Musiker. Aber das hat eben auch mit seinen umstrittenen Äußerungen und Zeichen zu tun. Ein Mann, der ganz sicher Musikgeschichte geschrieben hat mit Pink Floyd und inzwischen aber von jüdischen Lobbygruppen im Journalismus spricht und in der Musikbranche und sich auch offen zum BDS bekennt. Ein Musiker, der auch schon Ballons in Schweine-Form mit Davidstern aufsteigen lassen. Er ist gerade in Deutschland unterwegs, in Hamburg und in Köln hat er schon gespielt, da hat er diese Ballons nicht gezeigt. Es gab ja Versuche, seine Konzerte zu verhindern, dass iss vor Gerichten gescheitert. Auch in Berlin fand das Konzert statt. Sebastian Engelbrecht ist für uns vor Ort.
Sebastian Ist das Konzert schon beendet?[00:00:54] Dr. Sebastian Engelbrecht:
Ja, es ist gerade zu Ende gegangen. Und die Menschen 17.000 passen in die Halle. Die war auch fast voll, strömen jetzt aus der Mercedes Benz Arena ins Freie und scheinen alle ganz gelöst und froh. Nach diesem Konzert.[00:01:08] V. Balzer:
Gab es denn vor dem Konzert auch jetzt noch irgendwelche Kommentare, Proteste, Diskussionen zu Roger Waters als politische Person?[00:01:18] Dr. Engelbrecht:
Ja, es gab politische Stände von der Anti-Israel oder Israel-Boykottbewegung BDS. Die haben sich präsentiert vor der Tür mit ihren üblichen Transparenten. Sie wollen ja Israel als Ganzes boykottieren und nicht etwa nur die besetzten Gebiete Israels. Und dann waren auch andere da, die Roger Waters verteidigten und ausführliche Schriften da ausgestellt haben. Aber wer nicht zu sehen war, waren die Kritiker von Roger Waters. Und das hat mich in der Tat sehr überrascht, dass es keine Anti-Waters-Lobby gab, die da aufgetreten ist.[00:01:59] V. Balzer:
Das ist durchaus bemerkenswert.
Dennoch, wie ist dieses Publikum? Wer geht zu einem Roger Waters Konzert in Berlin?[00:02:08] Dr. Engelbrecht:
Das sind Leute, die mindestens 90 € in der Tasche haben müssen, um hier eine Karte zu bezahlen. Insofern durchaus eher bürgerliche Leute, Leute, die einen Beruf haben und dem auch nachgehen. Aber so ein paar Altrocker sind auch dabei. Insgesamt aber Leute wie Sie und ich, Herr Balzer.[00:02:26] V. Balzer:
Mir gut das Konzert selbst. Es ist ja auch interessant zu sehen, wir lassen mal das Musikalische weg, weil wir tatsächlich über ihn als politische Person reden wollen, uns auch das Setting interessiert. Was hat Roger Waters gezeigt oder kommentiert? Oder irgendetwas, was durchaus Bezug nimmt zu dem, was ihn ja so umstritten macht?[00:02:45] Dr. Engelbrecht:
Ja, das war eine große Show seiner Weltanschauung. Ein Holzschnitt ist da noch geradezu differenziert. Von Anfang an zeigt er sein pluralistisches Weltbild. Seine Botschaft ist Es gibt die Guten, es gibt die Bösen, die Guten. Dazu zählt er sich. Und das Publikum fühlt sich dann irgendwie auch dazugehörig. Die Bösen, das sind die Polizei, das Militär, die Regierungen, vor allem die amerikanischen Präsidenten seit Ronald Reagan bis Joe Biden. Und diese Botschaft wird einem das ganze Konzert über musikalisch eingehämmert. Übrigens bei einer miserablen, verschwommenen Akustik in der Mercedes Benz Arena. Und zugleich wird das über Megalomanie Video Schirme mitgeteilt. Das, was man da an Animation sehen kann, war von künstlerisch guter Qualität und sehr interessant. Aber die Botschaft war äußerst holzschnittartig. Das Böse ist die Regierung, die graue Hochhaus Stadt nach dem Nuklearkrieg. Aber genauso böse sind Bill Clinton und Barack Obama. Sie haben Tausende auf dem Gewissen wie alle US Präsidenten. Böse sind Kapitalismus, Faschismus, Militarismus und Krieg. Und dann wird groß in riesigen Buchstaben einge hämmert auf dem Bildschirm, widersteht dem Kapitalismus, widersteht dem Faschismus und die Masse jubelt. Also diese plumpe, letztlich völlig unklare Ideologie, die da eingehämmert wird, die ist natürlich selbst Faschismus anfällig und insofern höchst kritisch zu sehen.[00:04:14] V. Balzer:
Und das bemerkenswerterweise in der Mercedes Benz Arena in Berlin, was ja auch nicht eine gewisse, auch nicht einer gewissen Ironie entbehrt, würde ich mal sagen. An dieser, an dieser Stelle aber sonst All das, was ihm vorgeworfen wird, antisemitische Bezüge auch in der Russland Nähe. Gerade jetzt in diesen Kriegszeiten, das kam nicht direkt vor.[00:04:35] Dr. Engelbrecht:
Also die Bösen sind nur die amerikanischen Präsidenten. Von Putin war da überhaupt keine Rede. Aber Antisemitismus würde ich sagen, ist indirekt zu bemerken. Das Böse wird symbolisiert durch das Schwein, das schwebt. Und bei den Bildern von der zerstörten Hochhaus Stadt am Himmel. Immer wieder schwebt es durch die Videofilme, die da gezeigt werden, während die Musik ertönt. Es ist wie eine geheimnisvolle Macht, dieses Schwein. Schwebt durch die Halle. Und auf diesem Schwein steht diesmal kein Davidstern, sondern Stiel. Den Stiel den Armen gibt den Reichen. Außerdem sind da Namen von Rüstungskonzernen zu sehen. Und dazu tritt Roger Waters auf. Im Palästinensertuch und auf dem Bildschirm steht Fuck Drohnen, Fuck Krieg gegen den Terror. Und immer wieder dazu Bilder von Angriffen der israelischen Armee auf Palästinenser aus der Luft. Dann wieder Bilder vom Schwein, von den Schweinen mit Schlips und Krawatte und Aktenkoffer. Geschäfte machen, dann wieder leidende Palästinenser im Fadenkreuz der israelischen Armee, Bilder von unschuldigen, getöteten Palästinensern. Und dann wieder das Schwein. Und so weiter. So wechseln diese Motive häufig ab. Und wer es jetzt noch nicht verstanden hat, Herr Balzer, bei dem Konzert wer böse und wer gut ist, dem ist nicht zu helfen. Indirekt ist völlig klar Auf der Seite des Guten stehen die Palästinenser, auf der Seite des Bösen Israel und die Schweine Kapitalisten.[00:06:04] V. Balzer:
Sebastian Engelbrecht Kurz nach dem Konzert von Roger Waters in Berlin. Und wir haben es gehört mit sehr eindeutigen politischen Botschaften, aber eben auch tatsächlich ohne weitere Proteste im Vorfeld und auch nicht danach. Herzlichen Dank für diese Eindrücke.