Zeitdokument

München erlaubt umstrittenes Konzert, doch OB Reiter „will ihn hier nicht haben“

Ein Kommentar von Zaki zum Artikel in der Online-Ausgabe des Münchner Merkur merkur.de vom 30.03.2023

Erstellt am 06.05.2023

Adriano D'Adamo berichtet in der Online-Ausgabe des Münchner Merkur vom 30.03.2023:

Aus rechtlichen Gründen konnte das Konzert von Roger Waters in der Olympiahalle nicht verboten werden. Jetzt äußert sich der Pink-Floyd-Mitgründer zum Rechtsstreit und den Antisemitismus-Vorwürfen.

München – Der Stadtrat München hatte geplant, das Konzert von Roger Waters am 21. Mai in der Olympiahalle abzusagen und zu verbieten. Ein Grund, warum die Stadt München das Konzert verhindern wollte, waren antisemitisches Verhalten und Äußerungen des Musikers.

Um welches Verhalten und welche Äußerungen von Roger Waters es genau geht und wann er sie getätigt haben soll, bleibt zunächst ungesagt. Gab es noch andere Gründe für das Verbot? Auch das wird erst indirekt am Ende des Artikels erwähnt. Der Münchner Merkur schreibt weiter:

Aus rechtlichen Gründen wird das Konzert jedoch stattfinden. Jetzt äußert sich der Mitbegründer der Band Pink Floyd zu den Vorwürfen und dem Rechtsstreit.

Trotz Antisemitismus-Vorwürfen: Waters sieht sein Konzert als „gute Nachricht für die Meinungsfreiheit“

Statt an dieser Stelle gleich die vollständige Zurückweisung der Vorwürfe durch Roger Waters Anwälte abzudrucken zitiert das Blatt zuerst den obersten SPD-Politiker der Stadt München mit folgendem ungeheuerlichen Satz:

OB Dieter Reiter (SPD): „Ich will ihn hier nicht haben und wir müssen es jetzt ertragen“

Was soll das denn heißen? Erfüllt dieser Satz nicht den Tatbestand der Hetze? Und das von einem führenden Politiker in verantwortungsvoller Position!

Wie Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter erklärte, konnte das zuständige Referat für Arbeit und Wirtschaft nicht über das Konzert entscheiden. Aufgrund eines Rechtsgutachten von Rogers Anwalt war eine außerordentliche Kündigung des Vertrags mit dem Konzertveranstalter nicht möglich, berichtet der Bayerische Rundfunk. „Ich will ihn hier nicht haben und wir müssen es jetzt ertragen“, ließ Oberbürgermeister Dieter Reiter über Roger Waters verlauten.

Erst jetzt folgen Aussagen eines Anwalts von Roger Waters:

Laut Ralf Höcker, Waters Anwalt, wurde in diesem Fall „falsch verstandene Symbolik“ als Entscheidungsgrundlage genommen. Der Musiker selbst sieht diese Entscheidung allerdings als Sieg an.

Worin die von Rogers Anwalt formulierte "falsch verstandene Symbolik" genau bestehen könnte, wird nicht näher erläutert. Statt das Missverständnis aufzuklären, konstruiert Adriano D'Adamo vom Münchner Merkur mit dem Wörtchen "allerdings" einen scheinbaren Widerspruch, der eher dazu dient zu verwirren als aufzuklären.

Leser, die bis hierhin nicht ausgestiegen sind, bekommen an dieser Stelle noch ein paar entscheidendes Argumente zu lesen, die für den Angeklagten sprechen, wenn auch nur in abgeschwächter Form und ohne weitere Erläuterung:

Roger Waters bezeichnet sein Konzert in München als „gute Nachricht für die Meinungsfreiheit in Deutschland“, schreibt der Deutschlandfunk. Wie der Musiker über seine Anwälte hat mitteilen lassen, sehe er ein geplantes Konzertverbot als verfassungswidrig und ungerechtfertigt an.

Hört, hört! "Verfassungswidrigkeit" eines Verbots! Geht es hier wirklich "nur" um "Meinungsfreiheit" gemäß Grundgesetz Artikel 5, Abs. (1)? War da nicht noch was? Zum Beispiel die sogenannte "Kunstfreiheit", Art 5, Abs. (3), "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei." [...] Sollte Adriano D'Adamo dieses gewichtige Argument der Verteidigung in unserem bunesrepublikanischen Rechtsstaat etwa vergessen haben? So sieht es leider aus.
Immerhin lässt der Merkur-Journalist jetzt Roger Waters - wenn auch fast beiläufig - zum schwersten Vorwurf Stellung nehmen:

Weiterhin weist er die Vorwürfe zurück, dass er ein Antisemit sei. ...

Ein Satz, der im Kreuzfeuer der Kritik fast untergeht. Denn im gleichen Absatz hagelt es schon weiter:

... Seine Aussagen und die Genehmigung für sein Konzert sorgten für viel Kritik, unter anderem auch von Ron Prosor, Israels Botschafter in Deutschland.

Schwere Kritik an Roger Waters: Frankfurt sagt ab und Israels Botschafter missbilligt

Israels Botschafter in Deutschland kritisiert das Konzert und äußert klare Worte gegen den Musiker. „Roger Waters hätte kein Problem damit, in Teheran oder Moskau aufzutreten. Nur Israel ist der einzige Ort der Welt, den er boykottiert. Aber ein Antisemit will er natürlich nicht sein“, schrieb der Botschafter auf Twitter.

Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, meldete sich zu Wort. Sie betitelt das Konzert von Roger Waters als einen „Schlag ins Gesicht für die jüdische Gemeinschaft und für alle, die sich für ein respektvolles und tolerantes Zusammenleben einsetzen“, wie das ZDF berichtet.

Und wie zur Bestätigung all dieser Kritik:

Sein Konzert in Frankfurt am 28. Mai hingegen wurde abgesagt. Die zuständige Messegesellschaft hat auf ein Drängen des Frankfurter Magistrats und des Landes Hessen dem Konzertveranstalter ein Kündigungsschreiben zugestellt.

Jetzt darf Roger Waters nochmal:

„Politiker haben kein Recht, Künstler und ihre Fans mit Auftrittsverboten einzuschüchtern und zu schikanieren“, sagte Waters als Reaktion auf die Entscheidung Frankfurts. Waters will sein Konzert in Frankfurt im Notfall mit einer einstweiligen Verfügung durchsetzen.

Und ganz zum Schluss die Begründung der Stadt Frankfurt für das Verbot:

Die Stadt begründete ihren Entschluss mit dem antisemitischen Verhalten Waters, seinem Aufruf zum Boykott Israels und kriegsverherrlichende Äußerungen bezüglich des Kriegs in der Ukraine. Unter anderem ließ der Musiker bei seinen Konzerten einen Ballon in Form eines Schweins mit einem Davidstern aufsteigen.

Was es genau mit den fliegenden Schweinen, die ab den 70ern flogen auf sich hatte, was damals geschah, warum Roger Waters noch 1990 unbehelligt mit einem Mega-Konzert die Wiedervereinigung Deutschlands und den Fall der Mauer im Zentrum Berlins feiern durfte, statt mit Verboten, mit stundenlanger Live-Übertragung in Öffentlich-Rechlichen, all das bleibt unerwähnt.

Auch der unermüdliche Einsatz von Roger Waters für die Freilassung von Julian Assange, die Verurteilung der völkerrechtswidrigen Kriege, insbes. des Irka-Kriegs der USA mit Tausenden von zivilen Opfern, zentrale Themen des 79-jährigen Roger Waters in seinen Konzerten der jüngsten Abschieds-Tour durch Europa mit dem Titel "It's Not a Drill", all das bleibt unerwähnt.

Die Schlussfolgerung, dass offenbar die jüngsten, angeblichen "kriegsverherrlichenden" Äußerungen bezüglich des Krieges in der Ukraine den Unterschied machen, bleibt schließlich den aufmerksamen Lesern selbst überlassen.
Danke für nichts Adriano D'Adamo und dem Münchner Merkur!