Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters unterstützt seit Jahren den Boykott Israels. Deshalb hat die Stadt Frankfurt am Main eines seiner Konzerte abgesagt. In London traf er nun auf Meron Mendel, den friedensbewegten Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, der das Buch »Über Israel reden« veröffentlicht hat.
Quelle: SPIEGEL-Gespräch von Arno Frank, 17.03.2023, DER SPIEGEL 12/2023, Seite 112
(1) SPIEGEL: Herr Waters, der Magistrat von Frankfurt am Main hat Ihr für den 28. Mai geplantes Konzert in der Festhalle abgesagt. Er will damit »ein Zeichen gegen Antisemitismus« setzen. Wundert Sie das?
(2) Waters: Nein, davon plappern sie schon seit mindestens 2018. Ich habe gelesen, was der Magistrat von Frankfurt zu sagen hatte. Natürlich irrt er sich.
(3) SPIEGEL: Natürlich?
(4) Waters: Ja, natürlich ...
Ich bin kein Antisemit. Ich war nie ein Antisemit, und ich werde nie einer sein.
Das habe ich bei vielen Gelegenheiten betont ...
... Es ist bizarr, dass nun auf Grundlage von Behauptungen der Israellobby meine Karriere angegriffen werden soll.
(5) SPIEGEL: Können Sie verstehen, dass es Äußerungen und künstlerische Entscheidungen gibt, die eine solche Einschätzung nahelegen? Ein fliegendes Schwein beispielsweise ist ein Höhepunkt Ihrer Shows - darauf zu sehen war ein Davidstern.
(6) Waters: Und deshalb soll ich ein Antisemit sein? Das fliegende Schwein ist Teil jeder Show, bei der ich den Song »In the Flesh« spiele. Dieses spezielle Schwein flog schon vor zehn Jahren als Requisit der »The Wall«-Konzerte. Im Statement des Magistrats von Frankfurt heißt es, ich hätte 200 Shows gegeben, in denen auf diesem Schwein ein Davidstern zu sehen gewesen sei. Das ist Unfug. Ich habe das noch mal recherchiert, es waren weniger als 20 Konzerte und nur 5 davon in Europa. Sobald sich nämlich Menschen darüber beschwerten, etwa in den sozialen Medien nach einer Show in Belgien, habe ich gesagt: Okay, ich kann verstehen, warum manche Menschen, manche religiöse Juden verärgert sind.
(7) SPIEGEL: Und dann?
(8) Waters: Dann habe ich den Davidstern sofort von diesem Schwein entfernt. Ich stehe aber zu meiner ursprünglichen Entscheidung, ihn zu verwenden. Er war eines von vielen Symbolen, die für Dogmen stehen, die mir zuwider sind. Religiöse Dogmen wie der Judaismus, das Christentum und der Islam. Und kommerzielle Dogmen, die das kapitalistische Dogma repräsentieren. Neben dem Davidstern, dem Kruzifix und dem Halbmond waren bei diesen Shows auch das Logo von McDonald`s, das Dollarzeichen und der Mercedes-Stern zu sehen. Kein Unternehmen hat sich beklagt, kein Christ, kein Muslim. Nur die Israellobby. Die ADL hat sich die Sache einmal genau angeschaut…
(9) SPIEGEL: … die Anti-Defamation League mit Sitz in New York, eine Organisation, die sich gegen die Diffamierung und die Diskriminierung von Juden einsetzt.
(10) Waters: Sie hat entschieden, dass hier kein Antisemitismus vorlag.
(11) Mendel: Ich bin seit 30 Jahren in der israelischen Friedensbewegung und seitdem ein Gegner der Besatzung Palästinas. [...]
Quelle: SPIEGEL-Gespräch von Arno Frank, 17.03.2023, aus DER SPIEGEL 12/2023, Seite 112